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Stuttgarter Zeitung vom 13.09.2003:

Justizreform muss hohe Hürden schaffen

CDU und FDP wollen Privatschulen besser fördern - Opposition spricht von Scheinheiligkeit

Die meisten Sparvorschläge tragen die beiden Regierungsfraktionen CDU und FDP gemeinsam. Streit gibt es aber über die Justiz. Die CDU hält das Reformkonzept von Justizministerin Werwigk-Hertneck (FDP) nicht für entscheidungsreif.

Von Thomas Durchdenwald

Schon der zeitliche Ablauf machte deutlich, wer in der baden-württembergischen CDU-FDP-Koalition das Sagen hat. Zuerst berichtete der Fraktionschef der Liberalen, Ernst Pfister, über die Ergebnisse der FDP-Klausur, eine Stunde später saß Günther Oettinger, der Vorsitzende der CDU-Fraktion, vor dem Mikrofon. So kam es, wie es kommen musste. Pfister sagte, die FDP wolle 350 Millionen Euro durch Grundstücksverkäufe decken, vom Konkreten habe er aber "nicht den Hauch einer Ahnung". Oettinger sammelte die unausgegorene Idee des Oberliberalen wenig später ein: "Nicht haushaltsrelevant".

Noch eklatanter war der Unterschied bei der Justizreform. In den meisten Punkten bestehe Einigkeit mit der CDU, erklärte Pfister, das (von der FDP geführte) Justizressort werde die Arbeitsgerichte, die zum CDU-geführten Sozialministerium, gehören, bald übernehmen. Und auch die anderen noch offenen Fragen, würden bald geklärt. "Die Reform ist auf einem guten Weg", meinte Pfister. Wie geplant, würden Verwaltungs- und Justizreform Mitte Oktober gemeinsam auf den Gesetzesweg gebracht.

Keine 60 Minuten später sprach zwar auch Oettinger davon, dass es bei der "parallelen Entscheidung" der beiden Reformprojekte bleibe. Doch das war nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Tatsächlich stellt die CDU der Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) so hohe Hürden auf, dass sie nur gerissen werden können. Bei der Privatisierung der Handelsregister, der Gerichtsvollzieher und der Notariate sowie der Zusammenlegung von Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichten - das alles muss zumindest teilweise vom Bundesgesetzgeber geregelt werden - pocht Oettinger auf eine sichere bundespolitische Prognose. "Wenn das auf dem Tisch liegt, entscheidet sich die CDU in 14 Tagen", kündigte Oettinger an - wohl wissend, dass die Vorhaben auf Bundesebene so umstritten sind, dass Werwigk-Hertneck kaum eine begründete Aussage machen kann.

Die Privatisierung der Handelsregister beispielsweise wird von Rot-Grün neuerdings abgelehnt. Auch Oettinger weiß um die Höhe der Hürde, wie ein Nebensatz beweist: Am erfolgversprechendsten wären diese Fragen wohl in der geplanten Föderalismuskommission zu lösen, die die Aufgaben von Bund und Ländern neu definieren soll. Wie jeder weiß, werden die Ergebnisse dieses Gremiums aber frühestens in einem Jahr vorliegen. Gleichwohl hat die CDU eine weitere Hürde aufgebaut: Die Ministerin müsse zusammen mit dem Finanzministerium nachweisen, wie sich ihr Konzept "haushaltsentlastend auswirkt", sagte Oettinger. Im Klartext: Die CDU bezweifelt die Zahlen aus dem Justizressort und will etwa der Schließung von Außenstellen von Gerichten nur zustimmen, wenn ein "nennenswerter Sparbetrag" es rechtfertigt, "den Bürgern längere Wege zuzumuten", wie Oettinger sagte. Dass der Druck auf das Justizministerium groß werden könnte, zeigte auch Pfisters Äußerung, dass das Ressort von der Sparvorgabe von sechs Millionen Euro ausgenommen werden müsse.

Einig sind sich CDU und FDP immerhin darin, dass die Privatschulen besser gefördert werden sollen. Dafür sollen in den nächsten Jahren 6,5 Millionen Euro bereitstehen. Die CDU pocht auch darauf, dass die zugesagte Förderung der Regionalmessen erfüllt wird. Die Kosten von bis zu drei Millionen Euro sollten auf die nächsten Jahre verteilt werden. Die FDP will bei den Landesstraßen nicht um zehn Millionen Euro kürzen, dafür sollen aus einem anderen Topf 30 Millionen Euro für den Bau von Kreisstraßen gestrichen werden. Mehr Geld wollen die Liberalen auch für Förderprogramme des Wirtschaftsministeriums. Dagegen könnten im Kultusetat weitere 13,5 Millionen Euro für den Schulhausneubau gestrichen werden.

Den Kommunen drohen massive Einschnitte beim Finanzausgleich (25 Millionen Euro) und dem kommunalen Investitionsfonds. Allerdings bleibe das Land "deutlich unter" dem Betrag, den die Kommunen als Entlastung vom Bund bekommen werden, sagten Oettinger und Pfister.

Die Opposition kritisierte die Entscheidungen. Die Grünen warfen der CDU und FDP vor, sie verfehlten die Ziele ihrer Haushaltspolitik. "Es werden große Sparpakete angekündigt, aber sie werden nicht umgesetzt", sagte Fraktionschef Winfried Kretschmann. Die SPD erklärte, die beiden Regierungsfraktionen seien nicht in der Lage, "ein schlüssiges Konzept" vorzulegen. "Es herrscht Chaos und ein heilloses Durcheinander", sagte Fraktionschef Wolfgang Drexler. Die Kommunen müssten einen Großteil der Sparlast tragen - und gleichzeitig blockiere das Land die Gemeindefinanzreform. "Das ist an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten", erklärte Drexler.

Aktualisiert: 13.09.2003, 05:05 Uhr


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