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Nach dem Reformkompromiss ist die Ministerin unter Zugzwang - Richter sprechen von Erfolg, fürchten aber weitere Streichungen
STUTTGART. Ministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) steht nach der Einigung über die Justizreform unter Druck. Sie muss bis 2008 rund 360 Stellen streichen. Sollte es mit den Privatisierungen nicht klappen, kommen sogar nochmal 350 dazu.
Von Thomas Durchdenwald
Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Getreu diesem Motto hat Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP) gestern den Kompromiss über die Justizreform gefeiert. "Für mich ist das ein Freudentag", sagte sie im Landtag, wohl auch deshalb, weil die Verhandlungen kurz vor dem Scheitern standen. "Teufel und Döring schwiegen sich minutenlang an", sagte ein Teilnehmer gestern. Erst als die FDP mit Vertagung drohte, sei Bewegung in die Debatte gekommen. Neben dem "Einstieg in die Privatisierung des Notariats" betrachtet Werwigk-Hertneck vor allem als Erfolg, dass ihr Ressort bei den Stellenstreichungen bis 2008 mit 2,5 statt fünf Prozent davonkommt. Damit fallen in der Justiz nur 360 statt 720 Stellen weg. Wo genau, das wird im Ministerium momentan ermittelt.
"Die Umsetzung der Streichungen wird nicht einfach", sagte Eberhard Stilz, der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart gestern, "dennoch ist die Reduzierung des Abbaus ein großer Erfolg." Auch Helmut Borth, der Vorsitzende des Vereins der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg, ist "dankbar" für die abgespeckten Stellenstreichungen. Es werde jedoch schwer genug, 360 Stellen abzubauen. "Eigentlich haben wir in der Justiz keine Manövriermasse", sagte er.
Dabei droht der Justiz sogar ein noch größerer Stellenabbau. Ein 1998 vom Kabinett beschlossenes Kürzungsprogramm von 335 Stellen ist für die Rechtspflege bis 2006 ausgesetzt worden. Werwigk-Hertneck hofft nun, dass die von ihr geplanten Privatisierungen bei der Bewährungshilfe, beim Gerichtsvollzugsdienst und bei den Handelsregistern diese Streichauflage erfüllen und sogar noch mehr Stellen bringen werden. Ob es dazu kommt, ist fraglich, weil Bundesgesetze geändert werden müssen. Borth befürchtet das Schlimmste. "Wenn diese Streichpläne auch noch kommen, wird die Funktionsfähigkeit der Justiz beeinträchtigt werden. Dann wird die Sicherheit der Bürger zerstört", meint der Präsident des Amtsgerichts Stuttgart.
Auch zur Zukunft der Notariate gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Nachdem eine Privatisierung zurückgestellt wurde und in Baden bis zu 25 freiberufliche Notariate eingerichtet werden sollen, gesteht auch Werwigk-Hertneck ein: "Ich hätte mir die Reform gerne deutlicher vorgestellt." Allerdings sei der Einstieg geschafft, es werde in den nächsten Jahren zu einem Systemwechsel bei den Notaren kommen. Der Präsident des Badischen Notarvereins, Hans Eberhard Sandweg, sprach von einem "unerträglichen Kompromiss". Die Badener wollten keine Mischform, sondern sofort ein freiberufliches Notarwesen. Im Württembergischen bleiben die Amtsnotare zunächst erhalten. Dort wird nun befürchtet, dass sie von Stellenstreichungen besonders betroffen sind. "Die kommen nun richtig in die Zange", sagt ein Insider.
In die Zange genommen wurde die Justizministerin gestern während der Landtagsdebatte auch von den Oppositionsfraktionen. Statt einer großen Justizreform müsse man von einer Bonsaireform sprechen, die der Justiz schaden werde, erklärte der Grüne Thomas Oelmayer. "Die Ministerin hatte keinen Rückhalt in Fraktionen von CDU und FDP", stellte Rainer Stickelberger (SPD) fest. Er schloss aus, dass die SPD auf Bundesebene den Gerichtsvollzugsdienst privatisiert. CDU-Fraktionschef Günther Oettinger kritisierte denn auch den "fehlenden Sachverstand" von Rot-Grün in Berlin. Von einer großen Justizreform wolle er aber nicht reden, "das Konzept kann sich nun sehen lassen", meinte er.
Aktualisiert: 28.11.2003, 05:05 Uhr
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