Zur Startseite  |   Zurück zu Württ. Notarverein  |   Vorherige Meldung  |   Nächste Meldung


Pforzheimer Zeitung - 20.09.2003

Justizreform schwere Geburt

Koalitionäre ringen um Privatisierung der Notariate - CDU will auf Gewinne nicht verzichten - Konsens in drei Punkten

STUTTGART. Seit Wochen kämpft Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck um ihre Justizreform. Vor allem bei der Privatisierung der Notariate müssen sie und die FDP-Fraktion noch Überzeugungsarbeit leisten.

Michael Theurer, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, lässt die Muskeln spielen. Wenn die CDU bei der Justizreform nicht einlenke, verzögere sich auch die Verwaltungsreform. Denn, so der Oberbürgermeister von Horb, beide Reformen gebe es nur gleichzeitig. Knackpunkt ist die vorgesehene Privatisierung der Notariate (1000 Stellen). Die CDU müsse entweder Ja sagen oder eigene Vorschläge bringen, fordert Theurer. Nur blockieren, das sei zu wenig.

"Es geht nicht um Blockade", kontert Wolfgang Reinhardt, Theurers Pendant in der CDU-Fraktion, sondern um Rechts- und Tatsachengrundlagen, die es abzuwägen gelte. Der Rechtsexperte der CDU empfiehlt deshalb: Erst Fakten, Zahlen und Rechtsgutachten abwarten, dann entscheiden.

Um was geht’s? Die CDU will nur ungern auf die Gewinne der Notariate verzichten, die bei einer Privatisierung wegfallen würden. Immerhin fließt jährlich ein Nettoüberschuss von 52 Millionen Euro in den Landeshaushalt. Geld, das der klamme Südwesten derzeit gut gebrauchen kann. Die beamteten Notare verursachen aber auch Pensionslasten, die künftig auf das Staatssäckel drücken. Zum anderen aber könnte der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch ein entsprechendes Urteil dem Land untersagen, diesen Überschuss weiterhin zu kassieren. "Dann wären wir sofort für eine Privatisierung", räumt Reinhardt ein.

Baden ist unterversorgt

Doch so lange wollen die Liberalen nicht warten. Für Theurer spricht ein weiteres Argument dafür, die Notare zügig in das Freiberuflerdasein zu entlassen: die Unterversorgung im badischen Landesteil, was zu langen Wartezeiten für die Bürger führe. Und wer nicht warten könne, der gehe nach Rheinland-Pfalz, nach Hessen oder nach Bayern. "Das wollen wir nicht länger hinnehmen", betont Theurer gegenüber der "Pforzheimer Zeitung". "Wir brauchen auf jeden Fall eine Lösung."

Eine Privatisierung würde dem Land zudem noch Geld bringen. Die Notare wären bereit, die Kanzleien und Kundenkarteien abzulösen. Das brächte zwischen 15 und 20 Millionen Euro, rechnet das Justizministerium vor.

Um der CDU eine Zustimmung schmackhaft zu machen, schlägt Theurer vor, einen Grundsatzbeschluss zu fällen mit einer Übergangszeit bis 2008. Schließlich habe auch die FDP Bedenken bei der Verwaltungsreform zurückgestellt gemäß dem Motto "Das Leben ist ein Kompromiss und die Politik sowieso".

Handelseinig sind sich die beiden Koalitionspartner unterdessen in drei anderen Punkten: bei der Privatisierung der Gerichtsvollzieher (537 Stellen) und der Übertragung der Handels- und Genossenschaftsregister (160 Stellen) an die Industriekammern. Allerdings bedarf es hierfür noch des Plazets des Bundes. Unstrittig ist auch die Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe (435 Stellen). Theurer und Reinhardt unisono: In diesen Fragen besteht Konsens.

Sparvolumen 34 Millionen

Summa summarum geht es um 2100 Stellen, was 15 Prozent des Gesamtpersonals in der Justiz entspricht. Sollten die Pläne der Justizministerin realisiert werden, könnte Baden-Württemberg jährlich rund 34 Millionen Euro sparen. Zudem würden für die 2100 Stellen in 26 Jahren 1,6 Milliarden Euro weniger Pensionskosten anfallen.

Erstellt am: 20.09.2003


Zur Startseite  |   Zum Seitenanfang  |   Zurück zu Württ. Notarverein  |   Vorherige Meldung  |   Nächste Meldung