Im Mittelpunkt des heutigen Vorstandsberichts steht die von Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, initiierte Privatisierung des Notariats, also die Überleitung des Amtsnotariats sowohl im badischen als auch im württembergischen Landesteil in ein freiberuflich organisiertes Notariat.
Diese Initiative hat uns alle Ende April diesen Jahres überrascht.
Bis dahin sind wir im Vorstand und alle unsere Mitglieder davon ausgegangen, dass die bereits jahrelangen Bemühungen um strukturelle Verbesserungen im Amtsnotariat auch nach Ihrer Amtsübernahme fortgesetzt werden. Insbesondere haben Sie uns in unserem ersten gemeinsamen Gespräch im Februar diesen Jahres noch zugesichert, die erfolgreiche Arbeit Ihres Vorgängers fortzusetzen.
Diese Strukturmaßnahmen hatten das wesentliche Ziel, das beamtete Notariat zu stärken. Ein Meilenstein dazu war die im letzten Jahr getroffene Entscheidung, die Zuständigkeit als Vormundschaftsgericht auf die Amtsgerichte zu übertragen. Begleitet waren die Strukturmaßnahmen durch entsprechende Empfehlungen des Rechnungshofs unseres Landes, der die Beibehaltung des Amtsnotariats empfiehlt.
In den vergangenen fast sechs Monaten haben wir intensive Gespräche mit Ihnen, Frau Ministerin, mit Vertretern Ihres Hauses und mit Vertretern der Legislative geführt.
Eine Abschaffung des Amtsnotariats haben wir in diesen Gesprächen nicht gefordert. Wir alle sind im Amtsnotariat aufgewachsen und mit diesem System eng verbunden. Wir beamteten Notarinnen und Notare im württembergischen Rechtsgebiet stehen deshalb bis heute voll und ganz hinter diesem Amtsnotariat.
Und ich muss hier in diesem Kreis der Teilnehmer sicher nicht die Argumente aufzählen, die für eine Erhaltung des Amtsnotariats sprechen, einer Einrichtung, die mit ihren vielfältigen Zuständigkeiten bürgernah ist und die dem Land bis heute einen erheblichen Einnahmeüberschuss bringt.
Dieses Amtsnotariat kann aber nur dann zukunftsfähig bleiben, wenn es gestärkt wird und nicht durch weitere Sparmaßnahmen in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt wird.
Unsere Kolleginnen und Kollegen stehen Ihrem Vorhaben, Frau Ministerin, die Amtsnotariate überzuleiten, doch sehr skeptisch und auch ablehnend gegenüber.
Gründe dafür gibt es mehrere; der wesentlichste Grund ist sicherlich, dass sich die Kollegenschaft nicht vorstellen kann, wie eine solche Überleitung realisiert werden kann. Ein nachvollziehbares Konzept für eine Überleitung liegt bis heute nicht vor. Sorgen und Ängste um die berufliche Zukunft können deshalb zwangsläufig zu keiner zustimmenden Haltung führen.
Viele Kolleginnen und Kollegen ahnen jedoch, dass die Funktionalität und die Effektivität des Amtsnotariats nicht aufrechtzuerhalten sein wird, wenn die bereits angekündigten Einsparmaßnahmen des Landes auch im Amtsnotariat verwirklicht werden. Sie ahnen zudem, dass ein privatisiertes Notariat im Zuge der Harmonisierung und Globalisierung auf lange Sicht nicht aufzuhalten sein mag.
Zu den Aufgaben des Vorstands eines Berufsverbands gehört es, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten und zu wahren. Es ist zugleich Aufgabe des Vorstands, seine Standespolitik auf vorhersehbare Entwicklungen auszurichten und daran mitzuwirken, dass das Notaramt, das wir alle ausüben und das unsere jungen Kolleginnen und Kollegen anstreben, zukunftssicher zu machen.
Eine von den Regierungsfraktionen gemeinsam getragene politische Entscheidung für die Überleitung des Amtsnotariats ist bis heute nicht gefallen.
Der Entscheidungsprozess dürfte sich derzeit in der Endphase befinden.
Was sich dabei abzeichnet, könnte eine Entscheidung sein, die wir für fatal halten und der wir Württemberger nicht zustimmen können.
Ich meine damit die politische Entscheidung, das badische Amtsnotariat in ein freiberufliches Notariat überzuführen, ohne zugleich eine Entscheidung für die Überleitung des württembergischen Amtsnotariats zu treffen.
Der Vorstand hat aus Sorge um die Zukunftsfähigkeit gegenüber Herrn Ministerpräsident Teufel und gegenüber den Regierungsfraktionen deutlich gemacht, dass es keine getrennte Überleitung der Amtsnotariate im badischen und im württembergischen Landesteil geben darf.
Ich will die aus unserer Sicht wichtigen Gründe hierfür kurz darstellen:
Der Vorstand sieht bei einer solchen Entscheidung die Zukunft des Amtsnotariats im württembergischen Landesteil keinesfalls gesichert, sondern im Gegenteil höchst bedroht:
Eine Überleitungsentscheidung nur für den badischen Landesteil hätte Präjudizwirkung für die Zukunft des Notariats in Württemberg, denn ein Festhalten am Amtsnotariat nur noch in Württemberg auf Dauer erscheint ausgeschlossen. Damit wäre dann aber auch das Ende des Amtsnotariats in Württemberg besiegelt, ohne allerdings zu wissen, wann und mit welchen wesentlichen Rahmenbedingungen eine solche Änderung kommen würde.
Qualifizierter Nachwuchs, der an der württembergischen Notarakademie herangebildet wird, ließe sich nicht mehr finden, da kein junger Mensch sich auf eine Laufbahn einließe, von der er fürchten muss, dass sie bereits während seiner Studienzeit abgeschafft wird. Da aufgrund der altersbedingten Abgänge der kommenden Jahre jedoch junge Kolleginnen und Kollegen dringend benötigt werden, wäre ein Ausbluten des württembergischen Amtsnotariats die katastrophale Folge.
Weitere Sparmaßnahmen des Landes gerade im Personalbereich würden selbstredend auf die Notariate konzentriert, denn weitere Investitionen in einen sterbenden Justizbereich, der nach Ihrer Aussage, Frau Ministerin, ohnehin nicht zum Kernbereich der Justiz zu rechnen ist, erscheinen höchst fraglich. Das württembergische Amtsnotariat würde seine Leistungsfähigkeit endgültig verlieren.
Es gibt einen weiteren Grund, weshalb allein eine gleichzeitige Überleitung in Betracht kommen kann:
Während in Baden wohl nicht genügend Amtsinhaber zur Verfügung stehen, die insgesamt zu besetzende Zahl der nichtbeamteten Notarstellen zu bedienen, reicht in Württemberg die Zahl künftiger Stellen nicht für alle Amtsinhaber und Notarvertreter aus. Die für die anstehende Erstbesetzung vorgesehene Möglichkeit, dass die badischen Notarstellen auch für Angehörige des württembergischen Notariats zur Verfügung stehen, ist ein wichtiger Faktor für eine sozialverträgliche Umsetzung des Überleitungsvorhabens. Diese Möglichkeit besteht aufgrund der übrigen gesetzlichen - nämlich verfassungsmäßigen - Rahmenbedingungen jedoch nur bei einer gleichzeitigen Überleitung.
Nur am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass die zu gründende Notarkasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts, welche im finanziellen Bereich wesentliche Aufgaben der künftigen Notariatsorganisation übernehmen muss, genügend Mitglieder benötigt, um ihre eigene Finanzierung sicherstellen zu können. Die künftige Organisation eines badenwürttembergischen Notariats lässt sich in der richtigerweise beabsichtigten Form des nichtbeamteten Nurnotars nach bayerisch-pfälzischer Prägung nur umsetzen, wenn Baden und Württemberg gleichzeitig in die Freiberuflichkeit gehen; ein Voraus?Start nur des badischen Notariats lässt sich dagegen hier nicht darstellen.
Im übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die württembergischen Notariatsangehörigen einer Notarkasse angehören sollen, von deren Gründung sie ausgeschlossen wurden.
Sollte die politische Entscheidung fallen, das Amtsnotariat überzuleiten, erwarten und fordern wir unverändert, an der Ausgestaltung einer Übergangslösung umfassend beteiligt zu werden.
Werden die bisher im Amtsnotariat verankerten gerichtlichen Aufgaben auf die Gerichte übertragen, dann müssen sozial verträgliche Lösungen nicht nur für diejenigen aus unserem Stand geschaffen werden, die in ein freies Notariat wechseln, sondern auch für die, welche diesen Weg nicht mitgehen können oder wollen.
Ich möchte hier nur auf wenige der vielfältigen Fragen eingehen, die sich im Fall einer Überleitung stellen werden:
1. Dem Amtsnotar, der im Zeitpunkt der Überleitung trotz seiner Bewerbung das Amt des Nurnotars nicht erreicht, wird die Beurkundungsbefugnis ohne sein Einverständnis entzogen. Eine solche Folge käme einem faktischen Berufsverbot gleich. Der damit einhergehende Verlust der Gebührenanteile aus notarieller Tätigkeit stellt ein weiteres noch zu lösendes Problem dar.
2. Den Amtsinhabern, die das Amt des Notars nicht sofort erreichen, und denjenigen Laufbahnangehörigen, welche die Voraussetzungen einer Ernennung zum Notar zum Stichtag noch nicht erfüllt haben, muss in jedem Fall eine adäquate Alternative der Weiterbeschäftigung als Beamte im Landesdienst bis zu ihrer Ernennung zum Nurnotar angeboten werden.
Ob den Betroffenen nach den Bestimmungen des Landesbeamtengesetzes ohne ihre Zustimmung die Aufgaben eines Bereichsrichters übertragen werden können, ist äußerst fraglich und bedarf noch besonderer Prüfung.
Wir sehen ferner die Notwendigkeit, externe Untersuchungen anzustellen, etwa wenn es einerseits um die Zahl der freiberuflich zuzulassenden Notare geht und wenn es andererseits um die wohlerworbenen Rechte der Standesangehörigen geht.
Und es gibt sicher noch weitere zu klärende Gesichtspunkte. Und es ist unser Standpunkt, dass das Land für Reformmaßnahmen im Notariat mit uns, den Betroffenen, den Konsens finden muss.
Der Vorstand hat seine Bereitschaft erklärt, im Fall der Überleitung aktiv an einer sicher nicht einfach zu verwirklichenden Übergangslösung mitzuarbeiten. Dieses Angebot, Frau Ministerin, steht unverändert.
Die anwesenden Vertreter der Landtagsfraktionen bitte ich, bei Ihrer Entscheidung unsere Argumente mit zu berücksichtigen.